Sonntag, 5. Dezember 2010

Rappaz - Hungern für eine gerechte Sache?

THC im Dienste der Menschheit?
100 Tage Hungerstreik - eine Nulldiät aus prinzipiellen Gründen - und ein stattlicher, nicht einmal 60jähriger Mann verwandelt sich in einen Zittergreis. 40 Kilo leichter, ein Puls von 45 Schlägen pro Minute, die Körpertemperatur auf 35 Grad und der Zuckerspiegel im Keller. Rappaz will zwar nicht sterben, doch wenn er so weiterfährt, wird das nichts mehr mit seinem Kampf für Gerechtigkeit sowie seinem Einsatz für eine zwar schulmedizinisch anerkannte Heilpflanze, deren Anbau und Handel jedoch kriminalisiert wurde, nicht klappen.

Cannabinoide sind wunderbare Schmerzmittel und werden gerade in der Palliativmedizin angewandt und geschätzt. Sie sind Morphium u.a. dadurch überlegen, als dass das THC (Tetrahydrocannabinol) selbst bei Überdosierung keine Atemdepression bewirkt. Auch habe ich gehört, dass der Patient nach der Einnahme nicht wirklich bedusselt ist sondern irgendwie noch Herr seiner Sinne bleibt. Er kann in gewisser Weise ein normales Leben führen - halt ohne oder mit weniger Schmerzen.

Was passiert jedoch, wenn es beiden Parteien in einer Sache ums Prinzip geht, ums "Munele" und Recht haben sozusagen?

Wer ist stärker?

Keiner ist bereit, auch nur einen Millimeter von seiner Sicht der Dinge abzuweichen, wobei natürlich der Staat IMMER am längeren Hebel sitzt und im Gegensatz zum Nahrungsverweigerer auch alle Zeit der Welt hat. So haben "sie" im November denn auch Rappaz Hof versteigert (um Schulden zu bezahlen), was wohl selbst beim stärksten Menschen den Lebensmut sinken und die Zukunftsängste ins Unermessliche steigern liesse. Der ehemalige Hanfbauer ist jedoch überzeugt von der Heilkraft von Marihuana. Er hungert, weil er die Strafe von fünf Jahren und acht Monaten als unangemessen für sein Vergehen betrachtet und eine Begnadigung oder zumindest Neueinschätzung verlangt.

Super, dass sich die Ärzte des Genfer Unispitals nicht vom Staat dazu verdonnern liessen, den Häftling zwangszuernähren. Sie haben Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Durch Zwangsernährung steige das Sterberisiko bis auf 60 Prozent, begründete der behandelnde Arzt seine Weigerung.

Rappaz hat über seinen Kampf ein Buch geschrieben, für welches er noch einen Verleger sucht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es damit nach Rappaz' Tod sofort klappen wird und sich die Verlage um den Stoff (!!!) reissen werden. Bestimmt werden sich zudem einige Regisseure um die Filmrechte streiten. Und definitiv wird man sich in ein paar Jahren - oder eventuell vorher schon - an die Köpfe fassen und sich fragen, wie es möglich war, dass man in früheren Jahren (1970 - 20??) eine Heilpflanze dermassen verdammte, deren Anbau und Handel verbot und kaltblütig den Tod eines Mitmenschen auf sich nahm, nur weil es Leute gab und gibt, die Cannabis missbräuchlich, d.h. als Genussmittel anwenden. Ich meine, Alkohol und Tabak sind auch Drogen, oder?

Seit über 5000 Jahren ist die heilende Wirkung von Cannabis (Cannabis sativa - Hanf) bekannt. Aufgrund ihrer Verwendung als Droge wurde die Pflanze richtiggehend verteufelt. Dabei könnten deren Wirkstoffe vielen Menschen mit chronischen Schmerzen helfen. Die erste dokumentierte Erwähnung von Hanf als Heilpflanze stammt aus dem Jahr 2737 vor Christus, und zwar von Sheng-Nung, dem Begründer der chinesischen Kräuterheilkunde. Schmerz- und krampflindernd soll Cannabis sein, und angewendet werden kann es bei MS, Rheuma, Migräne und natürlich gegen die unangenehmen Nebenwirkungen von Krebserkrankungen. Im 19 Jahrhundert war Hanf ein wichtiger Bestandteil unserer Hausapotheken. Erst als die Pharmakologie Alternativen (?)brachte, wurde bei Cannabis immer stärker die Möglichkeit zum Missbrauch in den Vordergrund gestellt. Mehr und mehr aktuelle Studien legen nahe, dass die Verdammung der Pflanze auch im medizinischen Bereich ein riesen Fehler war, denn wo moderne Medikamente versagen, könnte Cannabis Abhilfe schaffen. Laut Befragungen wird das Mittel von Ärzten unter der Hand von Ärzten empfohlen. So gaben in den USA schon vor 20 Jahren 44 Prozent der Onkologen in einer anonymen Umfrage zu, ihren Krebs-Patienten zur Behandlung von starker Übelkeit und Erbrechen Cannabis empfohlen zu haben.

Gut möglich, dass die Pharmaindustrie aus finanziellen Gründen etwas gegen den legalisierten Einsatz von Hanf haben könnte, es sei denn, sie selber würde explizit beauftragt, Cannabis-basierte Medikamente herzustellen. Es gibt heute schon welche, zum Beispiel Sativex von GW Pharmaceuticals, welches bei neuropathischen Schmerzen von MS-Patienten Wunder wirken soll. Erhältlich es es seit 2005 erst einmal in Kanada. Ob und wann sich bei uns etwas tun wird?

Eines ist sicher: auf die oben beschriebene Weise werden Helden geboren, auch wenn sie dafür erst ihr Leben lassen müssen. So nahe liegen Geburt und Tod zuzsammen! Ob Bernard Rappaz den Märtyrertod sterben wird oder ob er sich mit seinem Hungerstreik tatsächlich Gehör verschafft und die Obrigkeit zum Nachgeben bringt? Ich denke eher nicht, denn der Staat - oder in diesem Fall der Kanton Wallis - geht davon aus, dass er sich nicht erpressen lassen darf.... aber überdenken könnte man allenthalben seine Einstellung rund um den Hanf... denn man sollte Volk und Medizin nicht seiner Möglichkeiten berauben, oder?

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