Donnerstag, 13. Mai 2010

Zu verkaufen: Lebensgrundlage





Mont sur Rolle... allen Anhängern von Weinseligem ein Begriff.


Gemäss meiner Freundin Wiki handelt es sich dabei um ein Weinbauerndorf oberhalb von Rolle, 12 km nordöstlich von Nyon: "Am gesamten Hang der Côte unterhalb einer Höhe von 550 bis 600 m.ü.M. wird Weinbau betrieben, auf dem Hochplateau Milchwirtschaft, Viehzucht und Ackerbau....."


Erschreckendes berichtet der "Beobachter" unter "Es wird eng im Paradies": 1980 war Rolle noch ein verschlafenes Städtchen mit 3500 Einwohnern. An den Hängen wurde Wein angebaut und wer im Dorf wohnte, arbeitete auch dort. Alles andere als eine pulsierende Wirtschaftsregion. Dann geschah etwas von tiefgreifender Bedeutung: Waadt wurde als "wirtschaftlich bedrohte Region" eingestuft und somit kam der sogenannte Bonny-Beschluss zum Zug. Dank Bundesgeldern konnte man fortan Firmen mit der Aussicht auf Steuererleichterungen in die Region locken. Ein Bauboom setzte ein. Die Nachbargemeinden (z.B. Gland) wuchsen schnell, Einkaufszentren entstanden und die Superreichen sicherten sich die besten Bauplätze der Côte für ihre Villen.

Da in Rolle Bauland und erschlossenes Industrieland knapp war, zeigte die Entwicklung daselbst vorerst kaum Spuren. Erst als die Gemeinde eine grosse Parzelle direkt an der Autobahn verkaufen konnte, zog das Wirtschaftswunder mit dem "A-One-Business-Center" resp. klingenden Namen wie Yahoo, Chiquita, Nissan etc. ein. Wie die Erfahrung mittlerweile zeigt, profitieren Einheimische von den entstandenen Arbeitsplätzen jedoch kaum. Im Gegenteil! Die Arbeitslosigkeit im Distrikt Nyon hat sich seit September 2008 praktisch verdoppelt. Die Firmen im "A-One" bieten vor allem Arbeit für sogenannte Business-Nomaden (Expats), eine Art Wohnnomaden, welche nirgends heimisch werden wollen; Geschäftssprache: Englisch.

"Dank" der zugezogenen Firmen nahm die Einwohnerzahl in Mont sur Rolle beständig zu und die Wohnbautötigkeit gehört zur intensivsten im Land. "In Rolle rollt der Rubel", könnte man jetzt meinen. Die Gemeinde selbst merkt davon jedoch nicht viel. Die Angestellten des "A-One Business Centers" verpflegen sich im Personalrestaurant und eingekauft wird in den grossen Zentren der Umgebung. Der vermeintliche Wirtschaftsboom in der Gemeinde hatte bisher vor allem Auswirkungen auf die Mietzinsen. Die stiegen nämlich seit den 80er-Jahren um mehr als das Dreifache.... für Einheimische kaum mehr zu bezahlen!


Philippe Rosse, ein gebürtiger Rollois, seines Zeichens Weinbauer in der vierten Generation, hat vor zwei Jahren bereits eine Hektare Land aus Familienbesitz zugunsten von sieben grossen Mehrfamilienhäusern mit 52 Wohnungen geopfert, sprich: gerodet. Wohnungen zu vermieten bringe eben deutlich mehr als Wein anzubauen und die Lage sei nun mal geeigneter für Bauen als zur Landwirtschaft, meint er dazu.

Was wird jedoch aus all diesen Wohnungen, wenn die zeitlich begrenzten Steuererleichterungen nicht mehr greifen und die Firmen andere Standorte suchen?

Geld bringt uns die Möglichkeit, Voraussetzungen zu schaffen. Sein Wert ist alles andere als beständig, das zeigen uns die kürzlichen Entwicklungen auf dem Finanzmarkt. Sich seiner Lebensgrundlage zu berauben, indem man relativ krisenfeste und risikolose Möglichkeiten gegen Geld eintauscht, halte ich für eher kurzfristiges Denken, denn wenn das Geld nicht einmal mehr das Papier wert sein wird, auf dem es gedruckt wurde, könnten uns die Reben immer noch helfen, unseren Lebensunterhalt zu bestreiten, wenn da dann nicht leerstehende Wohnruinen an unsere kurzfristige Planung erinnern würden!

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