Sonntag, 21. Juni 2009

Bettelbriefe - Hiiiiiilfe



Sind ab einem gewissen Alter schon keine auf Büttenpapier gebannte Liebesschwüre mehr in unseren Briefkästen zu erwarten, so können wir doch mit mindestens einem Bettelbrief pro Woche fest rechnen. Allein die Liste der ZEWO-zertifizierten Hilfsorganisationen ist ellenlang. Dazu kommen bestimmt noch ebensoviele nicht zertifizierte Abnehmer für unsere Schlechtes-Gewissen-Boni an die sogenannte dritte Welt.

Wer zudem über einen virtuellen Posteingang verfügt - "Datenschutz" sei dank - wird auch da masslos bedient. Würde man jede Spendenanfrage mit Einzahlung von nur 5 Franken beantworten, könnte man sich nach einem halben Jahr mittellos auf einer Parkbank wiederfinden.

Ich finde helfen toll. Hilfe zur Selbsthilfe ist für mich jedoch immer noch die höchste Form der Nächstenliebe. Viele Projekte im Ausland zielen genau darauf ab. Gerade in Sachen Versorgung mit Trinkwasser ist enorm viel getan worden. Alles, was die Ermöglichung von Schulbildung anbelangt, geht ebenfalls in die richtige Richtung!

Übrigens: anders als viele Kiddies der Industrieländer haben diese Kinder tatsächlich begriffen: Wissen ist Macht, Wissen ist unsagbarer, unsichtbarer Reichtum. Sie fechten keine Kämpfe mit den Lehrern aus, sondern öffnen Augen und Ohren und arbeiten fleissig an ihrer Zukunft.

Jeder von uns hätte in seinem Umfeld ebenfalls die Möglichkeit, zu helfen. Solche Hilfe äussert sich nicht zwingend in Franken und Räppli, sondern kann auch mal ganz praktisch sein, indem man jemandem zur Hand geht, die Hand reicht, ein Ohr leiht etc.

Heute hatte ich schon wieder einen Bettelbrief in der Hand. Ich kriege die ja alle noch in dreifacher Ausführung, da ich drei Anschriften habe. Als Motivator vorne das Bild eines armen Afrikanerkindes im Arm seiner Helferin. Da kam mir plötzlich ein irgendwie faszinierend beunruhigender Gedanke.

Jede "Hochkultur" ging irgendwann zu Ende, das zumindest erzählt uns die Geschichte, und wie es aussieht, könnte dies mit Amerika und Europa einmal genauso aussehen. Würde nun, sagen wir mal Afrika zu unermesslichem Reichtum kommen - Bodenschätze sind da ja genug vorhanden - wie würden diese Länder sich gegenüber der restlichen Welt verhalten, gegenüber der neuen dritten Welt? Könnte die Korruption endlich zu Grabe getragen werden und mit der Zeit der Gedanke der Nächstenhilfe aufkeimen, erste Blüten tragen oder gar zur Bildung eines Netzwerks führen, wie wir eins aufgebaut haben - zertifiziert oder nicht - zwecks Unterstützung der westlichen Welt? Selbstverständlich könnte die neue "Hochkultur" auch im asiatischen Raum entstehen, oder in Indien!

Alles ist im Wandel, allein darauf ist bekanntlich Verlass. Aber mal ganz ehrlich, was die doch sehr spezielle Frage anbelangt, habe ich da so meine Zweifel, dass das Helfersyndrom übertragbar ist, ebenso ansteckend wie zum Beispiel Gähnen. Es ist nicht einfach, aus einem eingespielten Muster herauszufinden, es sei denn, man werde aufgrund äusserer Umstände herausgefunden. Und genau das könnte uns tatsächlich passieren! Was denken Sie?

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