Sonntag, 19. Oktober 2008

An die Kinder des Sysiphos


Tja, was ist ein sinnvolles und erfüllendes Leben? Wenn die Migros 24 Stunden im Tag ihre Waren anbietet? Wenn meine Lieblingsserie im Fernsehen nicht gestrichen wird? Wenn mein Schatz mich mit einem 2 Karäter überrascht? Wenn ich mich fit fühle, gesund bin?

Ja, sicher, von allem ein bisschen und von manchem ein wenig mehr. Zufriedenheit und Freude wären gute Zutaten, daneben viel Spass und jede Menge Lächeln. Aber woher kriegt man das?

Bringt Sinnieren den Kern der Wahrheit wirklich an den Tag? Was wäre, wenn das Leben gar keinen Sinn hätte? Viele befänden sich dann auf einer Suche nach etwas, das es gar nicht gibt. Wie, wenn unser tägliches Streben nur ein Produkt von etwas Chemie gepaart mit Nervenaktivität wäre, so wie unsere Träume auch.

Neulich habe ich wieder einmal Beda Stadler in einer Diskussionsrunde überstanden, diesmal im "Nachtcafé". Es ging um Glaube und Religion. Purer Unsinn ist dies für den Immunologen, und er ist gegen Religiosität nicht nur immun sondern sozusagen allergisch. Er hält das ganze Geschwafel für gefährlich und ist der Ansicht, dass der Glaube an Gott mit einer Wahnvorstellung gleichzusetzen sei. "Wenn der Glaube Berge versetzen kann, warum wird er nicht im Bergwerk eingesetzt", fragt er.

Humanismus, Wissenschaft und Philosophie sind seiner Ansicht nach eine gute Basis, DIE Basis überhaupt, um als Mensch, und als solcher etwas entspannter zu leben. Irgendwo hat er wahrscheinlich recht, und zwar insofern als dass man immer tiefer ins Scheitern zu geraten droht, je mehr man sich bemüht.

Mir geht das in vielen Bereichen immer wieder so. Mein Drittberuf ist momentan Putzfrau. Etwas besser klingt da schon "Chefin Reinheit und Hygiene". Früher, als ich noch Mühe bekundete, mein Wohn-Schlaf-Koch-Klosett clean zu halten, hätte ich mir kaum vorstellen können, soviel Besen, Staubsauger und Putzlappen spazieren zu führen, und vor allem so oft. Aber ich bin ja noch am Lernen. Je mehr ich mich jedoch bemühe, die Arbeit ruhig und mit einem seeligmachenden Lied samt Lächeln auf den Lippen zu erledigen, umso mehr schlage ich hier den Kopf an, klemme dort den Finger ein... Bis es mich letztendlich verjagt und ich es wieder mal satt habe, Meister Sysiphus auch weiterhin zu dienen.

Ich frage mich dann jeweils: was lerne ich hier und wozu? Damit ich die Grabpflege gleich selber übernehmen kann, wenn ich mal auf dem Friedhof liege? Ich meine, ich habe keinen Nachwuchs und somit diesbezüglich etwas mehr Verantwortung.

Es ist einfach so: einiges liegt einem und geht leicht von der Hand; da ist der Lernprozess auch bald mal abgeschlossen, es sei denn, man möchte es wirklich zur Meisterschaft bringen. Andere Sachen geht man jedesmal von neuem mit der Hoffnung an, die Übung möge diesmal gelingen. Hoffnungen und Erwartungen sind dazu da, enttäuscht zu werden, darauf ist nun mal Verlass.

Darum, liebe Kinder des Sysiphos, wäre es eventuell an der Zeit, sich etwas weniger zu bemühen und vor allem keine Erwartungen zu hegen. Die Überraschung über all das, was trotzdem oder gerade deswegen gelingt, ist dann umso grösser und erfreulicher. Und was kann es im Leben nicht genug geben. Genau, die Freude!!

Mein Lieblingspilger Mu ist stets und immer noch am Lernen. Oft meint er, den Zustand des Nirvana in all seinen Zellen zu verspüren, dieses Gefühl der All-Einheit, bis.... er sich eines Besseren belehren lässt und... einfach weiterpilgert.

Und dieses Video möchte ich Ihnen in Anlehnung an meinen Eintrag vom 16.10. nicht vorenthalten:
Wenn er schon mal bei Sinnen bleibt, dann... könnte die Hochzeit trotzdem noch ins Wasser Fallen. Das ist jedoch nicht Sysiphos' sondern Murphys law!! Ich wünsche allen einen sinnvollen sonnigen Tag =D

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