Zauberformel: Leben + i = Lieben |
Ich weiss nur zu gut, wie es sich anfühlt, wenn "der schwarze Hund" einem wieder mal einen Besuch abstattet. Dieser treffende Ausdruck stammt übrigens von einem Onkel von mir und ist ein Synonym für Depression. "Onkel Hans hat heute keine Sprechstunde" habe ich als Kind offenbar jeweils allen erklärt, die es sicher teilweise gar nicht hören wollten.
Schwierig zu sagen, womit einfacher umzugehen ist; mit einer körperlichen oder einer psychischen Behinderung respektive Krankheit. Körperliche Gebrechen offenbaren sich der Umwelt oft unmittelbar und der Kranke stösst meist auf Verständnis und Mitgefühl. Gerade heutzutage kann man offen mit andern über seine gesundheitliche Situation sprechen, wenn man es möchte. Psychische Leiden laufen oft ganz versteckt hinter den eigenen vier Wänden ab. Meist können sich psychisch Gesunde nicht vorstellen, warum sich da einer so schwer tut mit seinem Leben.
Es ist schon grotesk: da nehmen auf der einen Seite Schwerstkranke modernste Therapien mit unerträglichen Nebenwirkungen auf sich und kämpfen bis zum letzten Atemzug um ihr Leben. Auf der andern Seite sind da die körperlich Unversehrten, die eine so tiefe Traurigkeit, Leere.... ja Sinnentleerung empfinden, dass sie sich ihren Tod herbeisehnen.
Man kann sich manchmal schon die Zähne ausbeissen am Leben, dabei könnte alles doch so schön sein! Die Frage bleibt: Was kann ich tun, was muss ich ändern? Ob EXIT da die richtige Antwort ist?
Während der heute gezeigten Dokumentation auf SF1 hat sich bei mir echt Beklemmung breitgemacht. Was der manisch-depressive Arzt André Rieder seinen Mitmenschen - und übrigens auch sich selbst - da zugemutet hat, ist nah an der Grenze des Ertragbaren.
EXIT wirbt mit Hilfe von Prominenten für Selbstbestimmung in Leben und Sterben, zum Beispiel mit Walter Andreas Müller.
Wie aber steht es mit der Selbstbestimmung von Angehörigen und Freunden eines potentiellen Selbstmörders? Könnte ich mit meinem besten Freund an dessen letztem Tag in einem stilvollen Restaurant eine Henkersmahlzeit einnehmen, danach in aller Ruhe mit ihm eine Picassoausstellung besuchen um dann zuletzt gemeinsam mit einem Freitodbegleiter einem zelebrierten Tod beizuwohnen? Definitiv nein, und ich möchte das auch nicht. Mir würde nicht nur das Mittagessen im Hals stecken bleiben! Ebenso schwierig wäre es für mich, wenn mir jemand, den ich liebe, vor seinem geplanten Freitod einen Abschiedsbesuch abstatten und mir ein Andenken überreichen möchte.
Es ist eines, in einer Kurzschlussreaktion von der Brücke zu springen. Auch hier ist jemand ganz auf sich selbst bezogen und denkt nicht mehr an die andern. Selbstmord ist immer auch Selbstbezogenheit in Reinkultur, das Aufeinandertreffen von Angst und Mut im Sinne einer Wiedervereinigung von zwei Polen... zwei Gegensätzen, im Bruchteil einer Sekunde.
Entscheidet sich ein Mensch, diese Welt mit Hilfe von EXIT zu verlassen, muss jemand von der Familie oder ein enger Freund mit dabei sein! Die Frage ist, ob man dann selbstbestimmt genug ist, nur das zu tun, was man auch zu tun bereit ist und allenfalls ein solches Ansinnen dankend abzulehnen?
Ist es nicht irgendwie krank, was alles am Fernsehen gezeigt wird? Quote-Quote über alles? In was für einer Welt leben wir eigentlich?
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