Samstag, 15. November 2008

Kleinstkunst im Nadelöhr


Ein Mann, der weder lesen noch schreiben kann, dazu noch schwarz... eine Ausgangslage wie gemacht für ein Pennerleben oder ein Dauerhängen an des Staates Rockzipfel, wie es scheint. Dass dies nicht zwingend so zu sein braucht und von der jeweiligen Einstellung abhängt, zeigt uns Willard Wigen. Sein Weg, sich auszudrücken, ist ein ganz eigener, jenseits der Zeilen oder irgendwo dazwischen.

Er wurde 1957 in Birmingham geboren und kann noch immer weder lesen noch schreiben, und doch hat er seine eigene Welt gefunden... eine klitzekleine sogar, das Nadelöhr. Ob dies biblische Hintergründe hat oder auch einfach ganz praktische? Da könnte man doch tatsächlich aus dem Nähkästchen plaudern oder darin gleich eine ganze Grossausstellung machen. Willards Skulpturen sind nämlich kleiner als 0,005 mm. Um nicht allzusehr zu zittern, arbeitet er zwischen den Herzschlägen, da der Puls in den Fingerkuppen ein Werk ruinieren könnte. Man müsse einfach (!!) das ganze Nervensystem kontrollieren können. Und nein, er freue sich nicht an der Arbeit - die brauche ihn ganz (painstaking hat kein deutsches Äquivalent) - sondern dann, wenn das Werk vollendet sei - und natürlich an der Freude des Publikums. Nach solchem Tun müsste man eigentlich fast den Psychologen aufsuchen, meint er lachend. Als er zum Beispiel "Alice im Wunderland" fertig hatte und ins Nadelöhr plazieren wollte, schaute er nochmals kurz durchs Mikroskop und.... Alice war verschwunden. Willard geht davon aus, dass er sie ganz einfach inhaliert hat. Das könnte einem mit Leonardos David eher nicht passieren.

Nun gäbe es verschiedene Wege, mit so etwas umzugehen. Fluchen, Schreien, Toben, oder... Willard fing einfach von vorne an. Er sei wohl der geduldigste Mensch auf Erden.

Der Künstler hat schon Ameisenhäuser fabriziert, oder ein Puppenhaus, das nicht grösser ist als eine menschliche Blutzelle. "Meine Lehrer bewirkten bei mir, dass ich mich klein fühlte, wie ein Nichts halt. So kam ich denn zum Schluss, dass Nichts nicht existiert." Man habe das Beste noch nicht gesehen von ihm, so etwas wie Charly Chaplin auf einer Augenwimper zum Beispiel.

2007 wurde Wigan's 70 Stücke umfassende Kollektion durch den Geschäftsmann David Lloyd für 11.2 £ gekauft. Von wegen an des Staates Rockzipfel....
BBC-Film: Art in the Eye of a Needle
Homepage von Willard Wigen


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