Dienstag, 21. Oktober 2008

Boni für die Pharmaindustrie

Offenbar kritisiert Daniel Vasella öffentlich die Diskussion um die Boni. "Populismus pur" sei dies, und die Boni als Ursache für die Finanzkrise zu sehen, sei etwas kurz gegriffen. Eine Änderung des Entlohnungssystems sei kein Ansatz, um allfällige weitere Krisen zu verhindern. Das System dürfe nicht geändert werden, da es den Mitarbeitern zeitaufwendig erklärt werden müsste. Es sei wichtig, dass die das System verstünden, sonst gebe es ein fürchterliches Durcheinander.

System? Die Mafia hat auch ein System. Matteo Garrones Verfilmung von Roberto Savianos "Gomorrha" geht etwas näher darauf ein. Für Saviano hat sein Bestseller Folgen. So kann er ohne Bodyguards nicht aus dem Haus, lebt an einem geheimen Ort und trägt sich mit dem Gedanken, Italien zu verlassen.

Irgendwie haben die sich gegenseitig stützenden Vielverdiener der Managerszene, welche sich so intensiv ihren Gewinnen widmen, auch ein wenig etwas von der Mafia an sich. Gerade die Pharmafirmen können, finanzkräftig wie sie sind, einen erheblichen Druck ausüben. Manche Schachzüge kommen einer Erpressung gleich. Das Argument, die Produktion sonst ins Ausland zu verlagern ist nur einer der wirksamen Mechanismen.

So wurde ein im Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift für Allgemeinmedizin (ZFA) angekündigster Artikel von Michael Kochen und Wilhelm Niebling über ein Magenmittel nicht wie angekündigt auf Seite 332 gedruckt. Er wurde gar nicht gedruckt, und zwar auf Druck der Pharmaindustrie. Die für Mitte August angekündigte ZFA-Ausgabe wurde, wie Nachforschungen ergaben, eingestampft und konnte, neu gedruckt erst am 10. September erscheinen. Der Thieme-Verlag fürchtete wohl um seine finanzstärksten Inserenten. Glatte Zensur, und das in Europa?!!

Kochen ist Mitherausgeber des anzeigenfreien und pharmakritischen Arzneitelegramms. Niebling ist Mitglied der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, die sich - anders als viele medizinischen Fachgesellschaften - dem Druck der Industrie weitgehend entzieht. Die "Informationen zur rationalen Arzneitherapie in der ärztlichen Praxis" von Kochen und Niebling waren als mehrteilige Serie angelegt, die vermitteln sollte, wie Patienten optimal und kostengünstig behandelt werden. Im Juli war der erste Beitrag über Bluthochdruck-Therapie erschienen. Für August waren die Magenmittel geplant. Weitere Beiträge waren in Planung. Kocher und Niebling verglichen z.B. herkömmliche Blutdruckmittel mit den neuen, viel teureren Produkten auf dem Markt, vor allem den Sartanen. Ihr Fazit: Letztere seien älteren Hochdruckmitteln keinesfalls überlegen.

Da liess die Industrie ihre Muskeln spielen, sahen doch die Marketing-Manager von Takeda Pharma, Novartis etc. ihre Felle davonschwimmen. ZFA ist zwar werbefrei, doch zog Takeda Pharma drei Anzeigen in anderen Thieme-Zeitschriften im Wert von 9600 Euro zurück. Die Takeda-Werbung bei Thieme umfasse insgesamt 37 Anzeigen.

Umsatzgefährdende Publlikationen sind selbstverständlich bei der Pharmaindustrie unverwünscht. Allerdings sieht man hier die Abhängigkeitsmuster: z.B. Anzeige gegen Artikel. Wenn Ihr nicht spurt, dann machen wir XY. Ein Tauschgeschäft auf dem Buckel resp. auf Kosten der Patienten.

Übrigens: sollen etwas mehr Medis an den Mann oder die Frau gebracht werden, dann können auch schon mal die sogenannten Normalwerte herabgesetzt werden. So galt für den oberen Blutdruckwert früher die Formel: 100 + Alter. Ein 70jähriger konnte also noch einen systolischen Druck von 170 aufweisen. Heute heisst es einfach: mehr als 140 geht nicht, und zwar für alle. Individualität aufgehoben, persönliche Werte ersetzt durch einen vorgeschriebenen Einheitswert. Auf wessen Mist resp. Druck ist diese Formel wohl gewachsen? Schauen wir mal in Richtung Profitierecke.
Erbsenzählerei? Meinen Sie? Wie Sie meinen! 


"It's not easy being green" - "es ist nicht leicht, grün zu sein". Wohl ebensowenig wie nicht erpressbar, geradlinig .... .... ....

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