Wie "Yasmin" ein Leben verändern kann …. |
In den USA sind mittlerweile 7700 Pillen-Opfer gerichtlich gegen Bayer vorgegangen. Da der Pharmariese Prozesse umgehen wollte, bezahlte das Unternehmen aussergerichtliche Entschädigungen von insgesamt 1,575 Milliarden Dollar. Unterstützt durch die Krankenkasse CSS erhob Célines Familie ebenfalls eine Klage auf 5,7 Millionen Franken Entschädigung für die lebenslange Betreuung Célines. Das Urteil des Bezirksgerichts Zürich ist niederschmetternd. Nicht nur erhält das beklagenswerte Opfer keinen Rappen, nein: es wird zur Bezahlung einer Prozessentschädigung von 120'000 Franken an Bayer verknurrt.
In der gestrigen Rundschau wurde über "den Fall" berichtet. Wer die junge Frau ansieht, spürt instinktiv, dass es nicht um einen Fall geht, sondern um einen Menschen, einen zumindest körperlich ziemlich hilflosen noch dazu. Céline ist zwar physisch schwerstbehindert, ist aber dennoch selbstbestimmt und kriegt alles mit. Als ihre Mutter ihr erzählt, dass sie den Gerichtsfall nicht nur verloren hätten, sondern zudem noch diese ernorme Summe bezahlen müssten, reisst sie voller Erstaunen die Augen auf. Sie nickt heftig auf das "wir ziehen den Fall weiter" ihrer Mutter.
Pillen wie "Yasmin" samt Generika mit dem Wirkstoff Drospirenon bergen bekannterweise ein höheres Thromboserisiko (VTE) als frühere Kontrakzeptiva. Zu diesem Ergebnis kam u.a. auch die europäische Arzneimittelbehörde EMA 2010 nach Einbeziehung zweier Studien aus Finnland und Dänemark. Dass Bayer das höhere Thromboserisiko beim Einreichen an die amerikanische Zulassungsbehörde FDA einfach verschwiegen habe, sagt der damals Verantwortliche in einem Interview. Mittlerweile geht man davon aus, dass 8 bis 10 VTE pro 100'000 Frauen zu erwarten sind.
Viel oder nicht viel? Wenn man die aktuellen Lebensumstände von Céline mit ihren früheren vergleicht, dann sind das eben genau 8 bis 10 zuviel. Prof.Dr. Stephan Krähenbühl, Präsident der Swissmedic Kommission, Chefarzt am Universitätsspital Basel und Experte für Medikamentensicherheit meint dazu im Gespräch mit dem Rundschaumoderator, dass anhand der vorgelegten Unterlagen das Produkt nicht vom Markt genommen werde. Die positiven Effekte überwiegen seines Erachtens trotz doppeltem Thromboserisiko im Vergleich zu älteren Präparaten. Und zum Urteil meint er: Anwendung von Recht sei eben nicht immer gerecht. Er fände es gut, wenn die Firma Bayer mit der Familie Célines eine Einigung finden könnte, indem sie zum Beispiel auf die 120'000 Franken verzichte. Auf die Frage, was er seiner eigenen Tochter in Sachen Pille raten würde, sagt er ganz offen: er wäre diesbezüglich vorsichtig und würde zum Einnehmen von Pillen früherer "Generationen" raten, sofern die vertragen würden.
Solange "Yasmin" nicht vom Markt genommen werden muss, wirbt Bayer, als handle es sich um ein Lifestyle-Produkt (Wohlbefinden, schönere Haut, stabiles Gewicht).
Übrigens: auch in diesem Jahr gab es wieder 2 Todesfälle im Zusammenhang mit "Yasmin" zu beklagen.
PS: Ich war etwa gleich alt wie Céline, als mir mein Frauenarzt wegen einer ziemlich starken Akne erstmals "Diane-35" (ebenfalls ein Bayer-Kind) in die Hand drückte; ein Produkt, das seit eh und jeh immer wieder in den Negativ-Schlagzeilen zu finden ist und im Januar 2013 in Frankreich aufgrund des erhöten Thromboserisikos vom Markt genommen wurde. Es wird angenommen, dass Frauen, die Diane-35 einnehmen, ein vierfach erhöhtes Risiko von Blutgerinnseln, Lungenembolien und Schlaganfällen haben. Ich habe "Diane-35" über 15 Jahre lang genommen. Habe ich ganz einfach Glück gehabt? Es geht hier ja nicht primär um Geld, sondern vor allem um LEBENSQUALITÄT! Ich wünsche Céline und ihrer Familie jedenfalls alles Liebe und Gute und hoffe, dass sie zumindest finanziell in eine etwas rosigere Zukunft blicken.
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