Mittwoch, 1. September 2010

Bern ent-sorgt (für) Sie


Entsorgen hat zweierlei Bedeutungen, und - wenn ich's genau bedenke - doch auch wieder nicht. Abfall entsorgen heisst, dass eine Stadt das Notwendige tut für den Anwohner, und das entsorgt diesen wirklich gewaltig. Stellen Sie sich vor, Sie müssten mit Ihrem Müll höchstpersönlich zum Verbrennungshof pilgern oder statt mit der alten Kaffeemaschine einfach zum Entsorgungshof zu fahren, müssten Sie alles selber in die Hand nehmen, sprich: rezyklieren.

Dass so ein Service nicht gratis sein kann, ist wohl jedem klar. Wir zahlen deshalb der Stadt Abfall- und Entsorgungsgebühren. Einen Teil davon zum Beispiel mit jedem Müllsack, früher mittels Vignetten.

Um Littering entgegenzuhalten lässt sich Bern immer wieder einiges einfallen. So stehen seit kurzem neue gelbe Plakate neben Abfalleimern, welche auf diverse Sachen aufmerksam machen. Eines ist mir besonders aufgefallen: ich habe 24 Stunden für Sie geöffnet, meint ein freundliches Männchen diensteifrig. Das muss wohl einer unserer immigrierten (noch nicht stimmberechtigten) Brüder aus Afrika oder Sri Lanka falsch verstanden haben. Zielstrebig und eiligen Schrittes nähert er sich der Busstation, stopft seinen übervollen Plastiksack in den Abfalleimer und zieht wieder von dannen. Auf mein Rufen hin verfällt er in ein Fliehtempo, ohne rechts und links zu schauen.

Hätte ich seinen Müllsack nun nehmen, ihm ins Cooprestaurant folgen, das Teil auf den Tisch knallen und den Mann auf Suaheli auf seine Verantwortung hinweisen sollen? Wie weit geht die Verantwortung eines Bürgers? Fehlt in manchen Sprachen ganz einfach das Wort Verantwortung?

Manchmal genügt es, jemanden kurz anzuschauen. Martin kann das besonders gut. Sein Blick wirkt wie eine Fernsteuerung, welche auch schon mal über eine etwas weitere Distanz wirkt. Wie macht der Mann das? Zum Beispiel neulich, als zwei junge Männer ihre Flaschen auf dem Rasen vor dem EWB-Gebäude entsorgten - oder eben eher sich selber. Ich blickte Martin an und fragte: "Willst Du etwas sagen" und der entgegnet: "Will ich etwas sagen"… und schwupp, nahmen die beiden ihren Müll wieder auf. Vermutlich haben sie ihn dann etwas später wieder reingeschmissen, vielleicht aber auch nicht. Ein anderes Mal "verlor" ein junger Mann etwas, bevor er sich an der Tramhaltestelle zum warten hinsetzte. Martin hob das Zigarettenpäckchen auf und brachte es dem für kurze Zeit Entsorgten freundlich zurück und sagte: Sie haben da was verloren. Verblüfft und verlegen steckte der Mann das Teil wieder ein.

Die Stadt hat noch ein paar lustige Plakate an Lager. Vielleicht sollten die Bürger des öftern einen Seh oder IQ-Test absolvieren.

Besser wäre allerdings, jeder würde sich bewusst, dass irgend jemand seinen Scheiss letztendlich dem richtigen Ort zukommen lassen muss und dass es eine Sauerei ist, immer die andern für etwas zu bemühen, das zu den eigenen Pflichten gehört. Bis es soweit ist, werden wohl auch weiterhin spezielle Sauberteams zusammengestellt - von der Stadt selber und auch von Bernmobil - welche sehr oft mit Immigranten aus Afrika oder Sri Lanka besetzt werden. Und so schliesst sich doch auch irgendwie der Kreis.

PS: Um Missverständnissen vorzubeugen: es gibt auch ganz viele Schweizer, welche die Abfallkübel der Stadt als gratis Entsorgungsstation missbrauchen. Gerade die ganz alten Semester sind hier besonder anfällig... weil halt eben oft die AHV hinten und vorne nicht reicht, buth that's another problem!!!

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