Mittwoch, 23. Dezember 2009
"Schnibbeldi-schnibbelda-life goes on..."
Kürzlich wurde ich unmittelbar mit der Auswirkung von Dogmen konfrontiert, und zwar sowohl medizinisch-hygienischer als auch religiöser Art.
Was ich bis anhin nicht wusste: mehr und mehr werden Knaben in jüngsten Jahren und ohne spezifische medizinische Indikation (z.B. Phimose) zirkumzisiert. Moderne Beschneidungen gehören in den Bereich Hygiene/Vorsorge und stehen u.a. in Zusammenhang mit dem HPV-Virus, welches im Verdacht steht, Gebärmutterhalskrebs auszulösen.
Gemäss Wikipedia sind gegenwärtig an die 25 Prozent der männlichen Weltbevölkerung beschnitten. Die präventive Beschneidung bei Kindern und Neugeborenen ist jedoch umstritten. Wie bei allem gibt es schätzungsweise gleich viele Befürworter wie Gegner.
In vielen Ländern, in welchen die Zirkumzision einen religiösen Hintergrund hat, erfolgt die Beschneidung erst im späteren Kindesalter, ist eher ritueller Natur und wird mit einer grossen Familienfeier verbunden. Erfolgt sie jedoch präventiv, wird dies oft schon im Säuglingsalter gemacht, und erst noch, wie ich erfahren musste, ohne jegliche örtliche Betäubung, bis vor kurzem jedenfalls. Da sträuben sich einem allein bei der Vorstellung sämtliche Haare.
Früher ging man davon aus, dass das Schmerzempfinden bei Kleinstkinder noch kaum vorhanden sei. Daher wurden "Frühchen" noch bis in die 70er-Jahre ohne Narkose operiert.
Schlimm finde ich, dass der Bewohner respektive Eigentümer des Körpers - das Kind selber - nicht gefragt wird, nicht gefragt werden kann. Man schnibbelt an seinem Körper rum wie an einem Bonsai. Für mich, die ich mit dem Körper und dessen unendlicher Weisheit arbeite, ist der Körper heilig, sozusagen der Tempel unserer Seele. Oft habe ich in meiner Praxis mit den Folgen operativer Eingriffe im Kindesalter zu tun; Erlebnisse mit traumatischen Auswirkungen. Meist wurden die Kinder vorher nicht einmal informiert, damit sie nicht Angst haben mussten; sie kriegten je nach OP einfach kein Abendessen und wussten nicht warum.
Eltern müssten sich unbedingt einmal klar darüber werden, dass die Kinder in ihre Obhut gegeben wurden, aber keinesfalls ihr Eigentum sind. Man kann das selber nicht schöner ausdrücken, als dies Khalil Gibran getan hat (s.oben).
In Deutschland ist die rechtliche Situation offenbar nicht ganz klar. Es gibt jedoch Bestrebungen, wonach die Beschneidung als Körperverletzung nach § 223 StGB gilt und auch dann strafbar sein soll, wenn die Personensorgeberechtigten in die Beschneidung eingewilligt haben. Diese Einwilligung sei unwirksam, da der Eingriff gemäss deutscher Rechtsordnung nicht dem "Wohl des Kindes" entspreche, den Inhabern der Personensorge also die Dispositionsbefugnis über das Rechtsgut der körperlichen Integrität fehle. Von der Rechtssprechung wurde die Kriminalisierung bisher nicht aufgegriffen.
Wie dem so ist mit der Resonanz: da ich mich so intensiv mit dem Thema befasste, zappte ich gleichentags auf eine Sendung, welche sich mit der Genitalverstümmelung bei Mädchen, wie sie vor allem auf dem afrikanischen Kontinenten praktiziert wird, befasste. Selbstverständlich ist die Beschneidung von Knaben und Mädchen in keinster Weise vergleichbar, allein schon was die Folgen anbelangt.
Rüdiger Nehberg und seine Target e.v. kämpfen gegen das unsagbare Unrecht, besser gesagt Verbrechen an diesen zahllosen armen Mädchen und Frauen an. Wie ich der entsprechenden Homepage entnehmen durfte, wurde auch schon viel erreicht. Ob sich in diesem Zusammenhang ein kenianischer Vater für die körperliche Unversehrtheit seiner zwölfjährigen Tochter vehement eingesetzt hatte? Leider konnte er sie letztlich nicht schützen. Obwohl er die Genitalverstümmelung abgelehnt hatte, wurde die Kleine auf Anordnung des Dorfältesten hin trotzdem beschnitten. Aus Protest und um ein Zeichen zu setzen hat sich der siebenfache Vater daraufhin das Leben genommen (wie 20min vom 23.12. berichtete).
Wann werden wir lernen, aus den Gefängnissen unserer eingetrichterten, eingeimpften und mit der Muttermilch eingesogenen Ansichten und anerzogenen Muster zu entfliehen und frei (von Angst) zu leben und so unsere Entscheidungen zu treffen? Ob ich diesen grossen Tag der Menschheit noch miterleben werde? Schnibbeldi-schnibbelda-life goes on (?)....
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