Freitag, 29. Mai 2020

Widerstand gegen die Staatsgewalt

光 Arise homo sapiens
Schockierende Bilder gehen um die Welt. Ein Polizist kniet auf dem Nacken von George Floyd, der verzweifelt minutenlang stöhnt: "ich kriege keine Luft", um dann plötzlich zu verstummen und zu erschlaffen. Derek Chauvin, so hiess der Beamte, nimmt jedoch sein Knie erst von Floyds Nacken, als der Rettungswagen eintrifft. Obwohl Passanten ihn und seine Kollegen mehrmals aufgefordert hatten, von dem längst Bewusstlosen abzulassen und ihm doch mal den Puls zu fühlen, wurde dies nicht getan. Wenig später wurde Floyds Tod bekanntgegeben. R.I.P. our Brother💖!

Das ist absolut schockierend. Grund der Verhaftung war, dass Floyd angeblich in einem Imbiss falsche Papiere verwendet respektive einen falschen 20-Dollar-Schein gegeben habe. Angeblich hätte er sich der Festnahme widersetzt. Videos einer Überwachungskamera zeigen jedoch, dass der 46jährige sich widerstandslos ergeben hat.

Die vier beteiligten Polizisten wurden sofort entlassen. Gegen Derek Chauvin sei bereits früher wegen exzessiver Gewaltanwendung ermittelt worden. Chauvin wird momentan rund um die Uhr von seinen Ex-Kollegen bewacht!

Rassistisch veranlagte Machtmenschen mit einem Mangel an Selbstbeherrschung und einem Hang zu übertriebener Agressivität gehören nicht in den Polizeidienst. Und genau darum geht es hier doch. Da würde auch kein Anti-Aggressionstraining helfen. Beim ersten solchen Vergehen müsste so jemand umgehend aus dem Dienst entlassen werden. Das ist in Chauvins Fall offenbar nicht passiert.

Derek Chauvin? Chauvinismus! Bedeutung: "aggressiv übersteigerter Nationalismus (militärische Prägung) verbunden mit Nichtachtung anderer Nationalitäten". Ob er ein direkter Nachfahre von Nicolas Chauvin ist, einem legendären, übertrieben patriotischen Rekruten, der in der Armee von Napoléon Bonaparte gedient hat und auf dessen Verhalten letztlich der Begriff Chauvinismus zurückgeht?

Der Bürgermeister von Minneapolis erklärte an einer Pressekonferenz: "Schwarz sein in Amerika sollte kein Todesurteil sein. Was wir gesehen haben, ist schrecklich und völlig daneben." Das ist noch milde ausgedrückt. Die Gewalt gegen Schwarze in den USA hat eine lange Geschichte.

Aber auch bei uns haben solche Gewaltszenen zugenommen. Anlässlich der kürzlichen Mahnwachen gegen den Lockdown wird teilweise brutalst gegen friedliche Demonstranten vorgegangen: in Deutschland und auch in der Schweiz. Man sieht Szenen, welche hierzulande ungewohnt anmuten, aber leider allmählich zur "neuen Normalität" zu werden drohen.

Am 16.5.2020 habe ich mich unglaublich aufgeregt angesichts einer Festnahme in Zürich, bei welcher die Beamten Kopf und Hals eines Mannes dermassen brutal auf den Boden drückten, dass der vor Schmerzen schrie. Als Therapeutin gehe ich immer besonders sorgfältig vor bei Behandlungen des Nackens. Kleinste Verschiebungen der Wirbel haben langfristig unangenehme Folgen. Bei solch rabiatem Vorgehen nimmt man sogar eine Tetraplegie in Kauf. Und was dann? Ist es in besagten Fällen hilfreich, wenn die ausführenden Beamten entlassen werden. Okay, sie müssen auf Stellensuche gehen, was sicher nicht einfach ist. Der Betroffene jedoch hat im Falle einer Lähmung lebenslänglich oder ist, wie Floyd, tot!

Widerstand gegen die Staatsgewalt (Art. 286 StGB). Das Wort "Staatsgewalt", oder im Strafgesetzbuch auch "Strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gewalt" (fünfzehnter Titel) sagt eigentlich schon alles. Wir unterscheiden also zwischen öffentlicher und privater Gewalt, wobei die öffentliche Gewalt kein Strafbestand zu sein scheint.

Lasst Fäuste sprechen, oder was? Wenn das keine Gewaltverherrlichung ist? Gewalt ist eine Art Monolog des Stärkeren gegenüber einem Schwächeren. Selbst Demonstranten, welche sich der Festnahme widerstandslos ergaben, wurden nicht mit Samthandschuhen angefasst. Okay, die Befürworter der Corona-Massnahmen werden jetzt sagen: selber schuld! Ja, sicher war es eine bewusste Entscheidung, welche unsere Mitmenschen veranlasste, für etwas einzustehen, das sie für wertvoll genug dafür halten. Dennoch müsste man sich einmal darüber unterhalten, ob nicht die "Staatsgewalt" zwingend überdacht werden müsste. Und zum Beispiel auch, wie aus dieser Art Monolog ein Dialog gemacht werden könnte! Gute Ansätze dazu findet man bei O-Sensei Morihei Ueshiba, dem Begründer von Aikidō.

Um es einmal mit Sacha Stone zu sagen: Arise homo sapiens!

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