Mittwoch, 22. September 2010

Bundesratswahlen 2010 - Zauberformel 4:3?


Fast halten wir es mit Bundesratswahlen in der Schweiz wie mit der Steuererklärung, welche seit einiger Zeit ebenfalls jährlich abgegeben werden muss. Die Rücktritte erfolgen jeweils parteipolitisch taktisch und geschickt gewählt, was der Unterlegene der letzten Runde, CVP-Fraktionschef Urs Schwaller, in klare Worte fasste und sogleich mit geplanten Taten eine mögliche Entwicklung aufzeichnete.

Zunächst wurde die Nachfolge von Moritz Leuenberger geregelt. In 4 Wahlgängen wird Simonetta Sommaruga zur 113. Bundesrätin der Schweiz gekürt, welche statt des Eids nur das säkulare Gelübde ablegt und unter anderem "gelobt", die Pflichten ihres Amtes gewissenhaft zu erfüllen.

Für Karin Keller-Sutter schwanden mit der Wahl Sommarugas - die mich seltsamerweise immer ein wenig an Elisabeth Kopp erinnert - schlagartig die Chancen, die Nachfolge von Hans-Rudolf Merz anzutreten. "Fünf Frauen im Bundesrat wären zuviel", meinte kürzlich sogar unsere Micheline, ohne dabei an ihren eigenen Rücktritt zu denken. Das Naheliegende sieht man oft zuletzt, obwohl man am 8. Juli mit 65 Jahren eigentlich das Pensionsalter erreicht hat.

Kann ja sein, dass die sich häufenden Zickereien in unserem Bundesrat mit dem ständig steigenden Frauenanteil in Verbindung zu setzen sind, denn Frauen funktionieren anders als Männer; Kommunikationswege und Vorgehensweise könnten unterschiedlicher nicht sein. Es bleibt beim Verhältnis 4:3, denn gegen Mittag wurde der Wunschkandidat des Dachverbandes der Schweizer Wirtschaft (Economiesuisse) in ebenfalls 4 Wahlgängen bestätigt. Im Gegensatz zu seiner Kollegin "schwört" Bundesrat Schneider-Amman sogar "vor Gott dem Allmächtigen", Verfassung und Gesetze zu beachten....

Mit Schweizer Wirtschaft ist übrigens nicht die Bellvuebar gemeint, in welcher sich gemäss Filippo Leutenegger gestern Abend bereits der Ausgang der Wahlen abgezeichnet hatte. Es ist nämlich tatsächlich vor allem seitens der Männer oft so, dass wirklich wichtige Entscheide nicht in Sitzungszimmern fallen, sondern beim anschliessenden Umtrunk in der Bar vereinbart werden. Prost.

Nun befinden sich angeblich erstmals zwei Berner im Bundesrat. Simonetta Sommaruga verrät es uns jedoch mit jedem Wort: ich bin eigentlich keine Bernerin, sondern Polylinguistin. Im Kanton Aargau geboren hat sie im Kanton Schwyz das Gymnasium besucht, sich in Luzern, Kalifornien und Rom zur Pianistin ausbilden lassen, um dann im Kanton Freiburg ein Studium der Anglistik und Romanistik zu absolvieren. Warum sie Romanistik nicht gleich in Rom studiert hat, sei dahingestellt; von Bernerin kann man bei ihr ja eigentlich nicht sprechen. Was den Kantönligeist anbelangt, meldet sich Ignazio Cassis im Verlaufe der Wahl auch noch zu Wort mit dem elementar wichtigen Hinweis, dass der Kanton Tessin seit Jahren nicht mehr im Bundesrat vertreten sei. Insomma(ruga).... die haben doch die im Fernsehen seit Jahrzehnten stets omnipräsente Nella Martinetti, und das ist ja auch schon fast ein halber Bundesratssitz, oder?

Das tragische an dieser Wahl ist wohl, dass wir mit Johann Schneider-Ammann wieder einen erfolgreichen Unternehmer an die Politik verlieren. Hat es denn nicht genügend ambitionierte Arbeitslose mit einigermassen Sachverstand (1+1= :-), welche diesen Job mit ebensoviel Hingabe erledigen könnten? Wie wäre es zum Beispiel mit einer Hausfrau und Mutter, deren Kinder schon gross sind und welche neue Herausforderungen sucht?

Reto Brennwald zeigt übrigens live, dass er in Sachen Höflichkeit ein echter Schweizer und kein Mann unnötiger höflicher Floskeln ist. Es gelingt ihm nämlich, Wahlverliererin Keller-Sutter vors Mikro zu locken. Tapfer beginnt sie über ihre Gefühle zu sprechen, da fällt ihr der Moderator ins Wort: "Oh, da kommt der neugewählte Bundesrat Schneider-Ammann.... machen wir es nicht künstlich...." und lässt Frau Keller-Sutter in der Warteschleife hängen. Profi, wie sie ist, bleibt die Politikerin da geduldig stehen, bis der Neubundesrat seiner Freude genügend verbal Ausdruck verleihen konnte und stellt sich dann Brennwalds nicht wirklich brennenden Fragen nach ihrem Hochzeitstag!

Interessant auch die Fotosession, bei der sich zunächst mit Bundeskanzlerin Casanova, den sieben amtierenden und den beiden neugewählten Bundesräten insgesamt 10 Leute aufs Bild drängen... ein Lächeln breiter als das andere (Micheline gewinnt natürlich trotzdem). Dann werden Leuenberger und Merz buchstäblich an die Luft gesetzt. Sie verlassen den Raum und dislozieren auf den Balkon, um eine Aufnahme des beinahe nach bewährter Zauberformel zusammengesetzen zauberhaften Bundesrates zu ermöglichen. Die Erlösung folgt in der Person des Bundesweibels (?), der ein Tablett mit Champagnergläsern hereinbringt, damit alle zusammen mit "Veuve Cliché" darauf anstossen dürfen, dass alles wieder einmal nach Denk- und Wahlschema X abgelaufen ist.

Hätte er doch gleich die ganze Flasche mitgebracht... eine Magnum natürlich! Ja was heisst denn hier Magnum (1,5 Liter), nehmen wir doch gleich eine Melchisedech (30 Liter), dann heisst das Verhältnis bald 8:6 oder 12:9 hicks!

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